Alles eine Frage der Fantasie
09 Jul 2014, Posted by Pressemeldungen inWAZ, 20.05.2014 – Nadja Juskowiak
Was braucht ein gutes Puppenspiel? Wer Matthias Kuchta kennt, weiß, es braucht vor allem Fantasie. Die Bühne war ein mit Kreppband geklebter Kreis. Eine blaue Tür, eine Standuhr und eine Holzkiste reichten als Bühnenbild. Dazwischen saßen die fast lebensgroßen Puppen, deren Gesichter Kapuzen verdeckten.
Um den Bühnenkreis versammelten sich die Kinder der Awo-Kindertagesstätte am Waldring und erwarteten gespannt die Aufführung von „Der Wolf und die sieben Geißlein“ des Lille Kartofler Figurentheaters. Seit vielen Jahren schon lädt Kindergartenleiterin Carmen Kohlar den heute 64-jährigen Puppenspieler in ihre Einrichtungen ein. „Mich fasziniert die Balance, die Kinder zu begeistern und gleichzeitig Spannung aufzubauen. Er geht optimal auf die Altersgruppe ein“, schwärmte Kohlar. „Je weniger auf der Bühne steht, umso schöner ist es für die Kinder. Es passiert so viel in den Köpfen“, sagte Puppenspieler Kuchta.
Der Geschichtenerzähler mit dem freundlichen Gesicht zog die kleinen Zuschauer von Anfang an in seinen Bann, als er versprach: „Die Puppen dürfen nicht über die Linie treten.“ Kuchta lüftete die Kapuzen nacheinander. Er sprach die Figuren nicht nur allesamt selbst und hauchte ihnen Charaktere ein, sondern hat sie auch eigenhändig mit alten Stoffen seiner Großmutter gefertigt.
Kinder umsorgen die Geißlein
Da gab es die liebe Geißenmutter, deren Erscheinung die Kinder hellauf lachen ließ. Außerdem spielten mit: die sieben Geißlein, der schlaksige Krämer, der dicke großmäulige Bäcker, der ewig müde Müller und natürlich der Wolf. Die Puppen spielen den Grimmschen Klassiker schon rund zwanzig Jahre mit Kuchta und verströmten so nostalgischen Charme. Für die ausdrucksstarken Gesichter seiner Figuren findet Kuchta Inspirationen in Karikaturen zum Beispiel von Wilhelm Busch oder A. Paul Weber, erläuterte er später.
Die Kinder waren hier nicht nur Zuschauer, sondern immer wieder Ansprechpartner für die Puppen. So holte der Wolf erst Marla (5) und später Max (6) zur Hilfe auf die Bühne. Marla sollte ihm sagen, wie er denn wohl seine Stimme so hell bekomme wie die der Geißenmutter. „Ich kenne die Geschichte schon“, antwortete das Mädchen keck und verriet ihm den Trick mit der Kreide. Wie bekannt, hatte der Wolf schließlich mit seiner Listigkeit Erfolg und stopfte sich in Kuchtas Version die Geißlein in seinen aufknöpfbaren Schlund und sein zuvor schlaffer grauer Plüschkörper gewann beachtlich an Fülle. Als am Ende die sieben Geißlein alle aus dem Bauch des Wolfes befreit wurden – „möh, möh“ – verteilte der Erzähler die kleinen Zicklein kurzzeitig in die Obhut der Kinder. Die streckten ihre Arme energisch in die Luft, um auf eins der Geißlein aufpassen zu dürfen.
Am Schluss belohnten sie Kuchta mit großem Applaus. Viele Kinder scharten sich um ihn, als er Hörbücher von seinen Stücken anbot.
Info: Sein Handwerk hat Matthias Kuchta von 1978 bis 1982 am Figurentheater-Kolleg in Langendreer gelernt. Mit seinen Stücken, die er in vielen Sprachen spielt, war er schon in vielen Städten der Welt zu Gast, u. a. in New York, Vancouver, Shanghai und Bordeaux.