Helgas Reise nach Riga

 

Helgas Reise nach Riga

Category: aktuell, Programm für Erwachsene
  • image
  • image
  • image

Idee und Spiel

Matthias Kuchta

Regie

Katja Lillih Leinenweber

Figuren

Matthias Kuchta, Katja Lillih Leinenweber

Dauer

20 Minuten

Aufbau

Es werden lediglich ein Tisch und ein Stuhl benötigt. Die Zuschauergruppe sollte nicht mehr als 20 Zuschauer betragen.
Diese Inszenierung wird unentgeltlich für interessierte Gruppen, Schulen und Einrichtungen angeboten, als Diskussionsbeitrag zum Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.

Ein besonderer Dank geht an:

Marco Klatt vom Stadtarchiv Langenfeld für die Unterstützung bei der Recherche, an Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz-Komitee für die Anregungen, an Sonja Mues für die Hilfe bei den Proben und an die Regisseurin Katja Lillih Leinenweber für die Hilfe bei der Erstellung des Skripts und die geduldige Probenarbeit.

Uraufführung

August 2021 in Langenfeld

Weiteres

Die Inszenierung in voller Länge und weitere Informationen zur Entstehungsgeschichte finden Sie auf unserem Youtube-Kanal.

Helgas Reise nach Riga

Ein Erzählsspiel mit Matthias Kuchta

I

m Haus der Familie Meyer in der Hauptstraße 133 in Langenfeld wird Helga am
9. August 1931 geboren. Es ist Sonntag. Von der nahen Kirche St. Josef hört man die Glocken läuten. Helga ist ein Sonntagskind, wie man so sagt.

Wir begleiten Helga von ihrem Geburtstag im August 1931 in Langenfeld bis zu ihrem Verschwinden im Winter 1944/45 im Konzentrationslager Stutthof an der Ostsee. Dokumentierte Fakten werden ergänzt durch Mutmaßungen. Ob es wohl so gewesen sein kann?

Es ist ein Versuch einer Annäherung an einen Ausschnitt jüdischen Lebens in Deutschland, in Langenfeld. Helgas Leben währte dreizehn Jahre. Helga, eine Langenfelder Anne Frank? Nein, nur Helga Meyer.

Der Puppenspieler Matthias Kuchta stolperte über den Stolperstein mit dem eingravierten Namen Helga Meyer vor der Stadthalle Langenfeld. Er hat mit Hilfe der Unterlagen aus dem Stadtarchiv Langenfeld Helgas Spuren recherchiert. Entstanden ist daraus eine Erzählreise, eindrücklich verstärkt durch kleine Figuren, gefertigt aus Draht und originalem Zeitungspapier der Jahre 1933 – 1938.

Hintergrundgedanken zum Erzählspiel

In meiner Heimatstadt Langenfeld gibt es einen wunderschönen neuen Marktplatz,  drum herum stehen die Stadthalle mit der Stadtbücherei, im postmodernen Stil die Marktarkaden mit Geschäften, Beauty Nail Shops, Eiscafés , diverse Telekommunikationsanbieter und Restaurants für die schnelle Küche von Sushi über Backfisch zu Spezialitäten der mediterranen Gastronomie,  mit Sitzplätzen und Tischen draußen, bei schlechtem Wetter beheizt und überdacht. Zwei kleine weißgetünchte Fachwerkhäuser im bergischen Stil sind die einzigen Bauwerke, die an Langenfeld in der Zeit vor den achtziger Jahren erinnern.

Mitten auf dem Platz, in das Pflaster eingelassen, befinden sich fünf Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Mittlerweile sind sie graubraun getreten von den Wochenmarktbesuchern. Zweimal die Woche gibt es hier den bunten Wochenmarkt. Über den Stolpersteinen steht meist der Wagen mit dem getrockneten Obst, den Nüssen und Körnern, vieles aus biologischem Anbau.

Wer nicht nach unten schaut, sieht sie nicht. Zufällig schaute ich einmal nach unten und begann zu suchen. Hinweise zu den Stolpersteinen finden sich anderenorts im Korridor des Volkshochschulgebäudes, eine ganze Reihe gerahmter Fotografien der Steine. Im Volkshochschulverzeichnis wird eine Exkursion zum jüdischen Friedhof angeboten. Der Zugang zum Friedhof ist in der Regel versperrt, wohl um Grabschändereien und Vandalismus zu verhüten. Der Friedhof liegt am Stadtrand, wird gärtnerisch gepflegt vom Bauhof. Ansonsten erinnert an die Jüdische Gemeinde in Langenfeld noch eine kaum lesbare Gedenktafel am Stadtarchiv, grün angelaufen, angebracht im Jahre 1968, in Erinnerung an die  Zerstörung der Synagoge in der Progromnacht im November 1938.

Also, zufällig nach unten geschaut und gestolpert über die Daten des jungen Mädchens Helga Meyer, geboren am 9. August 1931, an ihrem 13. Geburtstag am 9. August 1944 eingeliefert in das KZ Stutthof und dort im Winter 44/45 verschollen, umgebracht, ermordet.

Ich begann zu recherchieren, Stadtarchiv,  Veröffentlichungen zu den Nazijahren in Langenfeld und anderswo, stolperte über Unterrichtsverbot, pädagogische Reimspiele („Drum merke was die Mutter spricht, bei einem Juden kauft man nicht“), Zwangseinweisung in Judenhäuser, Boykott, Treueschwüre der Kindergartenleiterin auf Adolf Hitler, Beförderung der SA Leute nach dem Pogrom,  die Deportationen von der Viehverladerampe des Schlachthofs Düsseldorf Derendorf nach Riga, der Mord an den Jüdinnen in den Dünen von Stutthof. Es fand sich eine Fülle von Material über Leid, Gleichgültigkeit,  Judenhass und… Vergessen.

Ein Erzählstück entsteht

Daraus entstand eine kleine Erzählung, 20 Minuten lang, auf historischen Quellen beruhend, gemischt mit Mutmaßungen und Fragen. Die Spielfläche besteht aus einem über einem Tisch ausgebreitetem schwarzen Tuch, die Spielorte werden mit feinem weißen Sand markiert, die Figuren sowohl der Familie Meyer als auch der Langenfelder Bürger sind handflächengroß, aus Zeitungspapier der Jahre 1933-1936 gestaltet, über Draht gearbeitet.

Als Regisseurin konnte ich Katja Lillih Leinenweber gewinnen. Gemeinsam entwickelten wir den knappen Erzähltext, den ruhigen Erzählstil ohne schauspielerische Zuspitzungen und die minimalistische Choreographie der Figuren.

Was das alles soll?

Für mich ist es ein Beitrag gegen das Vergessen, ein Versuch, dem einen Opfer ein Gesicht zu geben, ein Versuch, stärker zu sein als das Abwenden und Wegschauen, ein Erinnern an 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.

Die Inszenierung ist als Videofilm auf You Tube frei verfügbar (https://youtu.be/7AvKBNOdtpg). Die ersten Vorführungen in kleinem Kreis führten zu langen Gesprächen, oft auch sehr persönlichen Kommentaren.

Wie es weitergeht?

Ich wünsche mir ein kleines Festival der  Puppentheaterbühnen, die zum Thema jüdisches Leben in Deutschland, Antisemitismus, Shoa und Widerstand gearbeitet haben.

Wer hat Lust und Interesse, hieran initiativ mitzuwirken?

Ansonsten biete ich das Spiel allen möglicherweise interessierten Gruppen an. Ein Honorar -außer Reisekostenentschädigung  – fällt nicht an, wohl aber wird die Bitte um eine Spende an das Anne Frank Zentrum.

DAS SAGT DIE PRESSE

 

Auf unserem Youtube-Kanal:

Auf dem Lille Kartofler Youtube-Kanal  können Sie die Inszenierung in voller Länge sehen sowie ein Video mit Informationen zur Entstehungsgeschichte des Stücks.